Zwischen den «roten Linien»

Die Sommerpause neigt sich zu Ende und bietet Gelegenheit, auf einen energiepolitisch hochintensiven Juni zurückzublicken. Neben der Sommersession Anfang Monat (mit den Entscheiden des Ständerats zum «Mantelerlass» und des Nationalrats zum «Windexpress») und der Volksabstimmung zum Klimaschutzgesetz hat auch die Energiekommission des Nationalrats UREK-N getagt und der Bundesrat seine Botschaft zur Beschleunigung der Bewilligungsverfahren veröffentlicht.

Auch wenn die Richtung stimmt: Es geht viel zu langsam vorwärts. Und darum braucht es eine Anpassung der Bundesverfassung!

Klimaschutzgesetz

Bei der Volksabstimmung vom 18. Juni 2023 zum Klimaschutzgesetz ging es zwar hauptsächlich um den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien mit dem Ersatz von Gas-, Öl- oder Elektroheizungen. Die politischen Debatten im Vorfeld drehten sich aber viel mehr darum, wie der dafür zusätzlich benötigte Strom bereitgestellt werden kann. Exemplarisch zeigte sich dies im Rahmen der «Abstimmungs-Arena» zum Klimaschutzgesetz vom 26. Mai 2023 auf SRF.

Die deutliche Zustimmung zum Klimaschutzgesetz kann somit auch als grundsätzliche Bestätigung des von Bundesrat und Parlament eingeschlagenen Weges zu einer sicheren Stromversorgung mit erneuerbaren Energien gewertet werden.

Mantelerlass

Es ist wohl kein Zufall, dass genau dieses Thema im Juni im politischen Fokus stand. Der Ständerat bestätigte im Rahmen des Mantelerlasses verschiedene Punkte, die der Nationalrat im Frühjahr neu eingebracht hatte - etwa im Bereich der dezentralen Speicher oder beim Ausschluss von Anlagen in bestimmten Biotopen von nationaler Bedeutung (MM AEE SUISSE vom 02.06.2023).

Weitere wichtige Differenzen bestehen aber beispielsweise im Bereich der Anwendung reduzierter Restwassermengen, der Solarpflicht oder der Ausgestaltung der Abnahmevergütung. Diese Differenzen wurden noch im Juni in der Energiekommission des Nationalrates UREK-N behandelt (MM AEE SUISSE vom 08.06.2023) und kommen in der Herbstsession in den Nationalrat mit dem Ziel, sie noch in dieser Legislatur zu bereinigen.

Windexpress

Gleichzeitig hat der Nationalrat die Vorlage «Windexpress» zur Beschleunigung der Bewilligungsverfahren gutgeheissen. Suisse Eole schätzt jedoch, dass sich die Wirkung in Grenzen hält und die Verfahren lediglich um zwei bis drei Jahre verkürzt werden – und damit weiterhin 20 Jahre und mehr dauern.

Beschleunigungserlass

Mehr verspricht sich Suisse Eole von der Botschaft des Bundesrats zum Beschleunigungserlass, welcher das Problem an der Wurzel packt und durch Suisse Eole «ausserordentlich begrüsst» wird.

Die Vorlage will nicht nur für Wind-, sondern auch für Solaranlagen ein konzentriertes Plangenehmigungsverfahren einführen und alle kantonalen Bewilligungen in einem Schritt regeln. Bei der Wasserkraft hingegen haben sich die bisherigen Verfahren bewährt und sollen nicht geändert werden. Grundsätzlich soll der Rechtsweg für alle Technologien eingeschränkt werden, so dass nur noch maximal eine Beschwerde möglich ist und diese innerhalb von 180 Tagen behandelt werden muss. Zudem wird der Planungsprozess für den Ausbau des Stromnetzes verkürzt, unter anderem durch die Festlegung von Korridoren, innerhalb derer der genaue Verlauf der Leitungen festgelegt werden kann.

Die Botschaft des Bundesrates gelangt nun zur Behandlung an das Parlament.

Fazit

Für Schweizer Verhältnisse ist es beeindruckend, mit welchem Tempo Parlament und Bundesrat die nach wie vor angespannte Versorgungssituation verbessern wollen. Diese Entwicklungen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Realisierung von Projekten nach wie vor verhindert oder zumindest verzögert werden kann.

Zudem zeigt sich in den Verhandlungen immer wieder, dass verschiedene Interessengruppen mit selbst definierten «roten Linien» drohen, die nicht überschritten werden dürfen - andernfalls wird mit einem Referendum gedroht. Der verbleibende Handlungsspielraum für die Politik wird damit äusserst eng – und angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen im Herbst ist zu erwarten, dass der Mut für konsequent zukunftsorientierte Lösungen nicht überall vorhanden sein wird.

Was lässt sich dagegen tun?

Wir sind überzeugt, dass die Unterstützung unserer Volksinitiative eine Versicherung für dringend notwendige und mutige Lösungen bietet. Sie ermöglicht es, «rote Linien» zu überschreiten und die dafür verantwortlichen Organisationen in die Pflicht zu nehmen.

Die Initiative bestätigt nicht nur den eingeschlagenen Weg, sondern fordert auch eine konsequentere Umsetzung, insbesondere durch eine stärkere Berücksichtigung dezentraler Lösungsansätze. Die Initiative beschreibt nicht den Weg – aber sie beschreibt das notwendige Ziel der Versorgungssicherheit, einschliesslich der Konsequenzen, falls dieses verfehlt wird.

Fotocredits: Unsplash

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