«Mantelerlass»– Quo vadis?

Der Nationalrat hat in der Frühlingssession das Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (auch «Mantelerlass» genannt) behandelt und wichtige Entscheide gefällt. Die Ziele der Vorlage und jene der Volksinitiative decken sich weitgehend, mit wenigen, aber wichtigen Unterschieden (Mehr dazu: «Warum braucht es diese Initiative?»). Wir verfolgen deshalb die parlamentarischen Beratungen mit grossem Interesse.

Der aktuelle Stand nach den Beratungen im Nationalrat

Der Nationalrat hat erfreulicherweise verschiedene Anpassungen des Ständerates bestätigt: So werden die Ausbauziele für alle erneuerbaren Technologien erhöht und die Ziele für die Energieeffizienz angepasst. Eine minimale harmonisierte Einspeisevergütung soll schweizweit einheitliche Bedingungen für unabhängige Stromproduzenten und Prosumer schaffen. Die bestehenden Förderinstrumente werden weitergeführt und durch das Instrument der gleitenden Marktprämie ergänzt. Mit der Möglichkeit der Verschuldung des Netzzuschlagsfonds sollen lange Wartelisten für die Aufnahme in die Förderung vermieden werden. Dezentrale Speicher ohne Endverbrauch sollen vom Netzentgelt befreit, und neue Möglichkeiten für lokale Energiegemeinschaften geschaffen werden. Für landwirtschaftliche Biogasanlagen wurden klare Regelungen definiert.

Es bestehen aber noch Differenzen zwischen National- und Ständerat, weshalb sich die ständerätliche Kommission UREK-S bis im Mai nochmals mit der Vorlage befasst. Die Differenzen betreffen beispielsweise den Verzicht auf die Erhöhung der Restwassermengen bei Konzessionserneuerungen von Wasserkraftwerken. Verschiedene Umweltorganisationen haben diesbezüglich bereits das Referendum angedroht. Anlagen in Biotopen von nationaler Bedeutung sollen hingegen definitiv verhindert werden. Auch bei der Ausgestaltung der harmonisierten Einspeisevergütung oder der Netzentgeltbefreiung für dezentrale Speicher, der Nutzung der Solarpotenziale im Gebäudebereich oder der Versorgungssicherheit im Winter bestehen weiterhin unterschiedliche Vorstellungen. Konkret hat der Nationalrat den Richtwert für den maximalen Stromimport im Winterhalbjahr viermal höher angesetzt als dieser heute ausfällt1! Damit werden keine Zeichen zur dringend erforderlichen Deckung der Winterstromlücke gesetzt. Im Zusammenhang mit den Bewilligungsverfahren sind die Standortgebundenheit von Windenergieanlagen im Wald und der Bau von PV- und Biomasseanlagen ausserhalb der Bauzonen zu bereinigen.

Unser Fazit

Wir begrüssen die intensive Auseinandersetzung im Parlament sehr. Die Ausgestaltung des Mantelerlasses ist schliesslich einer der elementarsten Bausteine, um die Schweiz bei der Dekarbonisierung im Verkehrs- und Gebäudebereich und bei der Verbesserung der Versorgungssicherheit im Winterhalbjahr rechtzeitig auf Kurs zu bringen. Er ist im Zusammenhang mit unserer Initiative auch wesentlich dafür verantwortlich, dass ein übergeordnetes nationales Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien nie zur Anwendung kommt.

Andererseits ist festzustellen, dass die Beschlüsse des Nationalrats die mittelfristige Versorgungssicherheit im Winterhalbjahr kaum verbessern. Der neu viel zu hoch angesetzte Nettoimport-Richtwert im Winterhalbjahr ist völlig wirkungslos. Ohne langfristige vertragliche Absicherung ist es geradezu fahrlässig, von der Bereitschaft der umliegenden Ländern ausgehen, uns im Winter viermal mehr Strom zu liefern als im Mittel der vergangenen Jahre.

Zudem wurden bereits wieder viel zu viele Kompromisse eingegangen - etwa bei der konsequenten Nutzung der Solarpotenziale im Gebäudebereich, beim absoluten Schutz oder bei der Einschränkung der Förderung. Grund dafür dürfte sein, dass nicht nur die Umweltverbände, sondern auch verschiedenste andere Organisationen mit dem Referendum drohen und damit riskieren, dass das ganze Paket in einer allfälligen Volksabstimmung scheitert. Von Seiten Landschafts- und Naturschutz wurde auf den Artikel 78 Absatz 2 der Bundesverfassung verwiesen, der die Gleichrangigkeit bei der Interessenabwägung von Schutz und Nutzen verlangt und deshalb auch eine gezielte und limitierte Bevorzugung der Energieerzeugung zugunsten der Versorgungssicherheit als Verletzung der Verfassungen nicht erlaubt.

Das ist das zentrale Argument für unsere Volksinitiative: Sie bildet in der Verfassung die Grundlage für den Mantelerlass und sichert den Weg in die Zukunft mit einem sicheren, wirtschaftlichen, erneuerbaren und effizienten Energiesystem - und ermöglicht eine rasche Umsetzung.

Wir brauchen Ihre Unterstützung - und freuen uns über jede Unterschrift. Herzlichen Dank!

1 Über die letzten 10 Jahre (bis und mit Winter 2020 / 2021) betrug der über 3 Jahre gemittelte Netto-Import im Winterhalbjahr 4 TWh. Die Lösung vom Nationalrat setzt den Wert auf 20% des Endenergieverbrauchs. Bei einem zu erwartenden Stromverbrauch von 80 TWh jährlich wären dies ein Importrichtwert von 16 TWh.


Photocredits: istock

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